24. Dezember 2020
Weihnachten im Internat
Während sich viele in der Region die große Frage stellen, mit welchen Familienmitgliedern in welcher Form dieses Jahr Weihnachten gefeiert wird, sehen die Weihnachtstage für ein paar junge Menschen aus Schelklingen nochmal ganz anders aus. Denn statt im kleinen Kreis unter dem Weihnachtsbaum mit der Familie Lieder zu singen und Geschenke aufzupacken, verbringen vierzehn Schüler Heiligabend weit weg von zuhause: im Internat der Urspringschule, ein paar hundert Meter hinter Schelklingen. „Dieses Jahr ist eben auch bei uns alles anders", sagt Daniel Leichtner, der Internatsleiter der Urspringschule. Die Schule und das Internat, in dem einige Schüler auch wohnen, war durch die Pandemie extrem gefordert. Nachdem schon eine völlig untypische Vorweihnachtszeit hinter der Schule liegt, ist es den Verantwortlichen in Urspring nun wichtig, dass an Weihnachten keiner der Schüler allein sein muss.„Die vergangenen Jahre sind alle Schüler üblicherweise über Weihnachten nach Hause gefahren", berichtet Leichtner. Die meisten seien pünktlich zum Ferienstart vor Heiligabend abgereist. Eine Ausnahme waren die bekannten Basketballer der Jugendmannschaften aus Urspring, die sich zwischen den Jahren manchmal zum Training getroffen haben. Ansonsten waren die Weihnachtsferien für alle eine Verschnaufpause – mit etwas Abstand von der Schule.
Diesen Abstand können vierzehn Schülerinnen und Schüler dieses Jahr nicht haben. Im Corona-Jahr werden sie die kompletten Ferien in Urspring bleiben und dort Weihnachten feiern. „Einige internationale Schüler, die von weiter her kommen wie zum Beispiel aus China, bleiben dieses Jahr die ganze Zeit hier im Internat", erklärt Daniel Leichtner. Doch die Schule lässt diese Jugendlichen nicht alleine. „Wir haben auf unserem Internat auch Mentoren, die hier mit ihren Familien leben. Und wir haben den Schülern angeboten, mit den Familien der Mentoren gemeinsam Weihnachten zu feiern", sagt der Internatsleiter. Die Hälfte habe sich dafür entschieden, die andere will für sich feiern – aber trotzdem gemeinsam als Gruppe. „Die werden dann zusammen etwas kochen und es sich heimelig machen. Allein sein muss an Heiligabend und die Tage danach hier keiner", betont Daniel Leichtner.
Natürlich würden die Schüler ihre Familien vermissen. „Teilweise haben manche ihre Familie wegen Corona schon ein Jahr nicht mehr gesehen", berichtet Leichner. Und trotzdem: In der Schule wird alles versucht, damit sich die Schüler, die in Urspring bleiben, wie zuhause fühlen. Dazu tragen auch die Vorteile bei, in einem Internat zu wohnen. „Innerhalb des Internats können sich die einzelnen Wohngemeinschaften treffen. Deswegen ist es möglich, dass die Jugendlichen je nach Größe der Wohngemeinschaft auch zusammen beispielsweise Tischtennis spielen oder Plätzchen backen", erklärt Leichtner. Zu einer solchen Wohngemeinschaft können bis zu sechs Kinder gehören. Diesen Vorteil des Internatsleben hätten die Schüler in dieser Zeit sehr wertgeschätzt. „Weil Begegnungen innerhalb der Haushaltsgemeinschaften möglich sind, werden wir auch unser Café in den Weihnachtsferien öffnen für die Schüler, die hier bleiben. Dann können sie dort zum Beispiel gemeinsam Billiard spielen und die Sporthalle steht ihnen für Fußball, Tischtennis oder Sonstiges auch zur Verfügung", betont Leichtner. Damit will die Schule den dagebliebenen Schülern ein wenig Ablenkung im tristen Corona-Alltag ermöglichen. Dass die Urspringschule versucht, den Jugendlichen, die da bleiben müssen, den Aufenthalt so schön wie möglich zu gestalten, ist für Internatsleiter Leichtner selbstverständlich. „Trotzdem freut es mich, dass die Schüler und auch viele Eltern sich bei uns für unsere Hilfe schon im Voraus bedankt haben", sagt er.
Auch in der Adventszeit hat die Pandemie die Traditionen und Feste auf der Urspingschule durcheinander gebracht. Nachdem das traditionelle Entenessen am ersten Adventssonntag der Pandemie zum Opfer fiel, wurde auch die große Waldweihnacht am Vorabend des letzten Schultages abgesagt. „Normalerweise organisiert unsere SMV an diesem Tag einen kleinen Markt mit einem tollen Weihnachtsprogramm", sagt Leichtner. Stattdessen musste die Schule mit kreativ werden und startete dieses Jahr eine Adventsfenster-Aktion. An 24 Gebäudefenster rund um das Schulgelände wurde jeden Tag ein Fenster von einer bestimmten Gruppe geschmückt. „Das konnten Wohngemeinschaften sein oder auch mal Mitarbeiter aus der Verwaltung", berichtet der Internatsleiter. Meist abends wurde dann zu einer bestimmten Uhrzeit das geschmückte Fenster den anderen vorgestellt und draußen konnte dann in kleinerer Runde mit genügend Abstand mal ein Gedicht vorgetragen werden, mal ein Lied vorgespielt werden – eben ganz kreativ und ganz unterschiedlich. Leichtner: „Das ist sehr gut angekommen."
Generell findet er, dass seine Schüler hervorragend mit der aktuellen Situation umgehen. Natürlich seien viele auch müde von der Pandemie und empfänden sie als lästig, „aber ich will für die Schüler hier wirklich einmal eine Lanze brechen, mit welcher Reife und Ernsthaftigkeit sie diese Pandemie bisher gemeistert haben", betont der Internatsleiter. Die Schule habe in den vergangenen Wochen die Schüler nochmal verstärkt auf den Unterschied zwischen Achtsamkeit und Panik in dieser Zeit aufmerksam gemacht. „Wir wollen nicht, dass unsere Schüler in Angst leben wegen Corona. Sie sollen sich des Risikos bewusst sein und einfach aufpassen", berichtet Daniel Leichtner. Die Schule habe auch keine Panik davor, wenn die vielen anderen Schüler nach der Weihnachtszeit wieder zurück nach Urspring kehren. „Wir haben da vollstes Vertrauen in die Schüler und deren Eltern", erklärt Leichtner. Bisher hat die Urspringschule unter den Schülern noch keinen einzigen positiven Corona-Fall.
Die Schule ist auf die Rückkehr der Schüler vorbereitet. Klassen und Gruppen werden im neuen Jahr wieder strikt getrennt, Sportangebote zunächst untersagt und verstärkt Fieber gemessen. Außerdem hat sich die Schule mit einigen Schnelltests eingedeckt. „Wenn ein Jugendlicher Symptome aufweist, können wir in Absprache mit dem Arzt direkt einen Schnelltest machen", berichtet Leichtner. In diesem Zusammenhang lobt er auch die gute Zusammenarbeit mit der Stadt Schelklingen. „Die Absprachen haben immer sehr gut funktioniert."
Für das kommende Jahr wünscht sich der Internatsleiter zum einen, dass die 90-Jahr-Feier, die im Sommer diesen Jahres eigentlich hätte gefeiert werden sollen, im nächsten Jahr nachgeholt werden kann. „Die 90 Jahre kann uns Corona ja nicht nehmen", sagt Leichtner. Zum anderen freut er sich, wenn sich wieder alle gemeinsam austauschen dürfen und die Rituale und traditionellen Feste im kleinen Internat hinter Schelklingen wieder gefeiert werden können. „Denn das macht Urspring ja auch aus. Die Urspringfamilie hält zusammen", betont Daniel Leichtner. Und das wird dieses Weihnachtsfest vielleicht deutlicher denn je zeigen.
Quelle: Schwäbische Zeitung, Simon Müller, Dezember 2020